Die aktuelle Marktsituation – die Zentralbanken lassen Aktien und Immobilien künstlich weiter auf neue Rekordhöhen steigen, die Leitzinsen sind bei oder nahe der Null, der Handelsstreit zwischen USA und China hält an, ein Krieg mit dem Iran steht vielleicht kurz vor der Tür – bringt mich immer wieder zum Nachdenken was meine Portfoliostrategie angeht.
Auch Artikel wie der zuletzt von Tim Schäfer mit dem Titel „Mein Mantra: Früh aggressiv zu 100 Prozent in Aktien und gut ist“ bringen mich zum Grübeln.
Sicher, wenn jemand einen Anlagehorizont von 50 Jahren hat und über diese Zeit monatlich €100 in ein diversifiziertes Marktportfolio steckt, der braucht sich nicht um Marktturbulenzen großartig kümmern.
Wie schaut sieht es jedoch mit denjenigen aus, die stattdessen
- einen Anlagehorizont von eher 20 bis 30 Jahren haben
- monatlich €2.500 bis €5.000 investieren können/wollen
- die vielleicht €50.000 bis €150.000 in Tagesgeld parken oder
- ihr Portfolio weitestgehend in der Hochphase der letzten Jahre aufgebaut haben?
Auch wenn ich durchaus zu denen gehöre, die einen Anlagehorizont von mindestens 20 bis 30 Jahren haben, gehöre ich leider auch zu denjenigen, die erst seit 2015/16 ihr Portfolio aktiv aufbauen.
Ich befinde mich also in einer Zeit, in der es mir nicht ganz egal ist, zu welchen Preis ich mein Portfolio erwerbe, weil es um mehr als die €100 im Monat geht, und habe gleichzeitig begonnen in einer Zeit zu investieren, in der viele eigentlich den nächsten Marktcrash erwartet hatten (der S&P500 fiel von Juli 2015 bis Februar 2016 um 14%), bevor es dann für weitere 4 Jahre kräftig nach oben ging.
Warum mache ich mir Gedanken zu meiner Portfoliostrategie, wenn ich doch kein Fan von Marketing Timing bin?
Ich schreibe ja immer wieder, dass ich kein Verfechter des Market Timings bin. Es ist schlichtweg unmöglich den Markt vorherzusagen.
Bedeutet das aber, dass ich den Markt, ein Unternehmen, ein Produkt, einfach so blind kaufen sollte, ohne jemals auf das Preisschild zu schauen oder mir zumindest mal vorher die Katze im Sack anzusehen?
Wenn es nach mir geht nein!
Denn für mich steht die Minimierung des Risikos eines permanenten Kapitalverlusts immer im Vordergrund.
Wenn Du denkst, dass bei einer Buy-and-Hold Strategie es an sich doch kein Risiko geben dürfte, erst Recht nicht, wenn man doch einen Anlagehorizont von mindestens 10 Jahren und mehr hat, dann verdeutlicht hoffentlich die folgende kleine Auswertung, dass das Risiko auch dann noch besteht.
Ein Blick in die Vergangenheit
Vor allem weil die meisten Indexinvestoren auf den MSCI World setzen, nehme ich mal an, dass die meisten damit auch eine US-Allokation von über 60% besitzen. Daher der nachfolgende Fokus auf den S&P500 als Benchmark für die USA.
Eingangs sagte ich, dass für mich das Risiko eines permanenten Kapitalverlusts auch bei einer Buy-and-Hold Indexstrategie besteht. Auch wenn nicht zu 100% vergleichbar mit einem unwiderruflichen Verlust des Kapitals, entspricht für mich ein anhaltender Buchverlust von mehr als 5 Jahren ebenfalls einer Art permanenter Kapitalverlust.
In der Zeit kann ich nämlich
- das Kapital weder verlustfrei abziehen und anderweitig verwenden,
- noch erwirtschaftet das es in der Zeit eine Rendite.
Ich habe mir deshalb eine Hand voll der größten Marktcrashes in den USA herausgesucht und geschaut, wie lange es eigentlich gedauert hat, bis man wieder bei +/- 0 rauskommt.
Denn wenn wir uns aktuell tatsächlich in einer heißen Phase befinden und der Markt 2020 oder 2021 den Bach runter geht, würde ich gerne wissen, wie lange es dauern könnte, bis ich wieder im Plus bin.
Das Ergebnis fällt leider nicht so rosig aus:
1929
Der Black Thursday leitet die Große Depression der 30er ein. Der US-Aktienmarkt bricht über 3 Jahre um 86% ein! Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass zu der Zeit auch die härtesten Investoren mit sich zu kämpfen hatten.
Wer jedoch zum Hochpunkt investiert hat und ein harter Buy-and-Hold Investor war, musste ganze 25 Jahre warten, bis ein neues Hoch erreicht wurde. 25 Jahre!
Berücksichtigt man Dividenden und die vergangene Inflation, waren es (1937 als kurzzeitiges neues Zwischenhoch außen vor) etwa 16 Jahre. Immer noch ein Weilchen.
1937
Die Große Depression hält weiter an. Nachdem der Markt sich auf den Weg der Regeneration gemacht hatte, bricht er 1937 wieder ein und verliert über 5 Jahre 58%.
Wer 1937 in den Markt einstieg, brauchte diesmal „nur“ 9 Jahre um wieder bei +/- 0 rauszukommen.
ABER …
1946
Das Ende des zweiten Weltkriegs führt unter anderen aufgrund des Wegfalls der immensen Kriegsinvestition der vorangegangenen Jahre in eine weitere Rezession. Der Markt fällt über 3 Jahre um 27%.
Ab hier braucht es etwas mehr als 4 Jahre bis sich die Verluste wieder erholt haben. Wer jedoch 1937 in den Markt einstieg und 1946 bei dem kleinen Plus nicht verkaufen wollte, durfte dann mehr als 13,5 Jahre warten, bis er wieder eine schwarze Null im Depot sehen durfte.
1968
Es gibt einen weiteren Rücksetzer, der Markt verliert 33% über 2 Jahre.
Die Erholung dauert aber erstmal „nur“ 3,5 Jahre.
1972
Die Erholung nach 1968 ist von kurzer Weile, denn die Ölkrise sorgt für einen Verlust von 46% über die nächsten 2 Jahre.
Die Erholung dauert diesmal über 7,5 Jahre und wer das Pech hatte in 1968 eingestiegen und das kleine Plus in 1972 nicht mitgenommen zu haben, der durfte knapp 12 Jahre warten.
2000
Der Crash der Dot Com Blase führt zu einem Verlust von 45% über 3 Jahre.
Dadurch, dass 7 Jahre später die Finanzkrise dazwischen grätscht, soll die Erholung diesmal über 12,5 Jahre dauern!
2007
Zu guter Letzt die Finanzkrise. Über knapp 2 Jahre verliert der Markt 53%.
Stimuliert durch die Nullzinspolitik der Zentralbank dauert die Erholung „zum Glück“ nur knappe 5,5 Jahre.
Datenquelle: Yahoo! Finance / log(S&P500)
Jahr | Historie | Kursrückgang | Erholung (in Jahren) |
---|---|---|---|
1929 | Black Thursday | -86% | 25,1 |
1937 | Die Große Depression (fortg.) | -58% | 9,2 (13,6*) |
1946 | Nachkriegszeit | -27% | 4,3 |
1968 | Sonstiges | -33% | 3,4 (11,7**) |
1972 | Ölkrise | -46% | 7,6 |
2000 | Dot Com Crash | -45% | 12,6 |
2007 | Finanzkrise | -53% | 5,4 |
*wenn 1946 nicht verkauft wurde **wenn 1972 nicht verkauft wurde
In den genannten Fällen habe ich die Inflation außen vor gelassen, welche in der Vergangenheit durchaus auch mal zweistellige Raten erreicht hatte. Inflationsbereinigt fiel die Erholungsphase dementsprechend in allen Fällen wohl noch länger aus.
202X
Bevor jetzt jeder mit dem Finger zeigt und erklärt, dass ja niemand 100% seines Portfolios genau zum Markthoch gekauft haben kann und dass heute ja alles anders sei, sollten wir vielleicht alle mal überprüfen wie unser Portfolio mit Kursrückgängen von 40-60% und Erholungsphasen von 4-12 Jahren umgehen würde.
Ich selbst kann nicht vorhersehen, wann der nächste Marketcrash kommen wird. Die nächste Marktkorrektur kommt jedoch mit absoluter Sicherheit (Buchempfehlung an der Stelle The Little Book of Common Sense Investing von John C. Bogle).
Deswegen ist es für mich mehr als sinnvoll sich zu überlegen, ob das Risiko des permanenten Kapitalverlusts mittlerweile überwiegt und das Portfolio dementsprechend wetterfest gemacht werden sollte.
Schlusswort
Ich denke Investoren sollten sich immer vor Augen halten, dass der Markt zwar durchaus auch die größten Krisen überlebt, ABER die Erholung gerne mehr als ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen kann für den Teil des Portfolios, der zum oder kurz vor dem letzten Markthoch erworben wurde.
Deshalb beschäftige ich mich aktuell viel damit, mein Portfolio für die verschiedenen Phasen der Marktzyklen zu rüsten.
Darauf werde ich aber in einem anderen Artikel näher eingehen, bis dahin musst Du Dich ein wenig gedulden 🙂
PS: Wenn du selbst mit den Daten spielen möchtest, findest du auf Yahoo! Finance die Historie für den S&P500. Für meine Auswertung habe ich die monatlichen Werte genutzt. Yahoo bietet auch Werte für den S&P500 Total Return (inkl. Dividenden), jedoch leider nur ab 1988.
Es scheint jedoch doch noch eine andere Quelle zu geben, die sowohl historische Dividenden sowie die Inflation berücksichtigt, und das ab 1900. Danke Maschinist! Nachfolgend der interaktive Chart.
Die Kernaussage bleibt jedoch die gleiche: Auch Buy-and-Hold birgt durchaus das Risiko des quasi-permanenten Kapitalverlusts, welches nicht außer Acht gelassen werden darf.
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