Aus Sicht eines Insiders: Weißt Du eigentlich, wie gut Du es als Privatinvestor hast?

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… ich jedenfalls schon.

Heute habe ich nämlich den Vorteil, dass ich beide Seiten sehe: Die Seite des institutionellen Investors als auch die des privaten.

Ich arbeite nämlich für eine internationale Investmentfirma, die das Geld institutioneller Investoren – dazu gehören Pensionskassen und Versicherungen – über innerhalb diverser Immobilienfonds investiert.

Gleichzeitig investiere ich privat, wenn ich mein eigenes Vermögen anlege.

Um auf den Punkt zu kommen, ich sehe (und spüre) aus erster Hand, wie schwer es manchmal ist als institutioneller Investor nicht nur gute Investmententscheidungen zu treffen, sondern diese dann auch umzusetzen – und wie gut man es dagegen als Privatinvestor hat!

Aus eigener Erfahrung versuche ich Dir deshalb die 7 wichtigsten Vorteile zusammenzufassen, die ich für mich als Privatinvestor sehe und auch nutze.

Fangen wir an mit…

#1 Kein Anlagedruck

Als Privater habe ich keinen klassischen Anlagedruck. Ich kann mich also dazu entscheiden, auch Mal nicht zu investieren und bestimmte Phasen des Marktes auszusitzen.

Das bedeutet unter Umständen, dass ich auch Mal länger viel Geld auf dem Tagesgeldkonto parke und auf Rendite verzichte, wie es jetzt zum Beispiel der Fall ist.

Wenn Du mich fragst, kann das aber in manchen Fällen sogar eine gute Investmententscheidung sein. Vor allem dann, wenn sich wieder neue Chancen ergeben und Liquidität gefragt ist oder sich daraus langfristig Risiken vermeiden lassen. Gerade weil ich langfristig denke und auch handeln kann, kann ich getrost auf kurzfristige Gewinne verzichten.

Nicht umsonst sitzt ein Warren Buffett auf über $100 Mrd. an Cash Reserven. Mit seiner Investmentfirma Berkshire Hathaway ist er zwar kein klassischer Privatinvestor, aber geht mit dem Geld so um, als wäre es zu 100% seins. Seine wichtigste Regel: „Never lose money“.

Bei Pensionskassen, Versicherungen oder Fonds sieht das Ganze oft anders aus.

Vor allem in der heutigen Zeit.

Sie alle haben in der Zukunft hohe Verbindlichkeiten oder Renditeerwartungen, denen sie nachkommen müssen. Der Niedrigzinsphase sei Dank ist es jedoch nicht mehr so einfach, genau diese Verbindlichkeiten zu erfüllen, ohne dabei mehr und mehr Risiko einzugehen.

So einfach Geld parken können diese Investoren nicht. Zum einen entgeht ihnen dadurch die Rendite, die sie Jahr für Jahr vorweisen müssen, und zum anderen kostet es sie mittlerweile etwas, wenn sie Geld bunkern.

Deshalb müssen sie investieren.

Das artet dann so aus, dass ich beruflich öfters beobachte, wie €80 Mrd. an frei verfügbarem Kapital um ein €200 Mio. Objekt schwirren, sobald es auf den Markt kommt, und alle Investoren bereit sind, das Geld sofort auszugeben.

Das gefährliche daran ist, dass diese „Wall of Capital“ dazu führt, dass in manchen Fällen ein so hoher Preis für etwas gezahlt wird, nur um kurzfristig die laufende Rendite zeigen zu können, dass das Risiko in 5 oder 10 Jahren, wenn der Markt sich wieder drehen könnte, übersehen oder in Kauf genommen wird.

Wie gesagt, nicht investieren ist für diese Investoren jedoch in der Regel keine Option, anders als für uns Privatinvestoren.

#2 Keine Verantwortung gegenüber Anlegern

Als Privater muss ich nur mir selbst erklären, warum ich gerade nicht investiere, um bei dem vorherigen Beispiel zu bleiben.

Ich schulde in anderen Worten niemandem eine Erklärung und bin auch in keinster Weise gezwungen etwas zu tun, nur um zu beweisen, dass ich aktiv bin.

Auch hier haben es vor allem Fondsmanager schwerer. Schließlich werden sie und der Fonds von den Anlegern für’s aktiv sein bezahlt.

Auch das ist in meinen Augen super gefährlich.

Ein aktiver Aktienfondsmanager wird zum Beispiel niemals ein ganzes Jahr nicht handeln, selbst dann nicht, wenn es die bessere Entscheidung wäre.

Stell Dir vor, ein solcher aktiver Fonds hätte ein Jahr lang keine einzige Aktie ge- oder verkauft. Der Anleger wird sich doch sofort fragen, warum er 1,5% jedes Jahr an Managementgebühren zahlt, oder!?

Genauso wenig kann der Fondsmanager sein Portfolio komplett umwerfen. Selbst wenn es wieder die bessere Entscheidung wäre, würde das ja bedeuten, dass seine Strategie zu Beginn nutzlos war und die Anleger das Gefühl bekommen, dass der Manager nicht weißt, was er macht.

Genau aus diesen Gründen wird ein 0815-Fondsmanger 30-50% seiner Positionen Jahr für Jahr verändern, egal ob es eine gute Entscheidung ist oder nicht.

All diesen Zirkus muss ich mir als Privatinvestor jedoch nicht antun, denn ich bin nur für mich selbst verantwortlich.

#3 Keine fixe Haltedauer

Diesen Punkt solltest Du wirklich nicht unterschätzen.

Gerade dann, wenn ich mir Investments für unsere geschlossenen Fonds ansehe, habe ich immer wieder das selbe Problem: Es liegt in der Natur des Fonds, dass er nur eine fixe Investmentperiode hat von sagen wir maximal 8 Jahren.

Das bedeutet also, dass sehr viele gute Investments, die eine langfristige Wertentwicklung bieten, gar nicht erst gekauft werden können.

Noch schlimmer, am Ende dieser Periode muss der Fonds verkaufen, was dazu führen kann, dass die Immobilie oder Aktie zum schlechtesten Zeitpunkt auf den Markt kommt.

Als Privater hingegen kann ich meine Investments 5, 15 oder sogar 30 Jahre halten. Das bedeutet also, dass ich Krisen auch Mal aussitzen und den Verkaufszeitpunkt frei bestimmen kann.

Ich bin also nicht gezwungen einen Verlust realisieren und dann auch noch rechtfertigen zu müssen, sondern bestimme selbst, ob das Investment es Wert ist, den kurzzeitigen Verlust auszusitzen oder Geld vom Tisch zu nehmen.

Gerade weil es sich auszahlt, langfristig zu denken, ist genau das auch einer meiner wichtigsten Tipps.

#4 Keine fixe Strategie

Als Privater kann ich frei entscheiden, wo und wann ich mein Geld investiere.

Wenn es heute Immobilien sind, könnten es Morgen Immobilienkredite, Aktien, Anleihen, Startups oder auch neue Trends wie Bitcoins sein. Selbst wenn ich bei Immobilien und Aktien bleibe, kann ich zumindest die Gewichtung selbst bestimmen und verändern.

Ich kann mich also frei bewegen und dort investieren, wo ich langfristige Chancen sehe.

Vor allem wenn es um Themen wie Bitcoins geht, unterscheide ich jedoch stark zwischen Investition und Spekulation. Mir hilft es jedenfalls besser mit solchen Spekulationen umzugehen und sie für mich auch auszunutzen.

Klassische Fonds hingegen halten zu Beginn eine Strategie fest, an die sie sich dann auch halten müssen.

Für geschlossene Immobilienfonds könnte sie zum Beispiel heißen:

Der Fonds investiert in gewerbliche Immobilien mit Schwerpunkt Büro und Einzelhandel mit Wertsteigerungspotential in deutschen A-Städten. Die Zielrendite beträgt 12% p.a. über eine Investmentperiode von 8 Jahren.

Was ein Fonds darf und was nicht wird auf unzähligen Seiten festgehalten und genau das bindet dem Fondsmanager gewissermaßen die Hände.

Grundsätzlich ist das auch gut so, denn ich will als Investor schließlich genau wissen, in was mein Geld investiert wird. Auf der anderen Seite verpasst so ein Fondsmanager viele Chancen, vor allem in Märkten, die sich stark verändern.

Als Privater bin ich wie gesagt deutlich flexibler. Wenn Immobilien für mich zu teuer werden (wie es aktuell der Fall ist), schaue ich mir umso genauer Aktien oder alternative Investmentmöglichkeiten an und kann sogar Immobilien für eine Weile ganz zur Seite legen.

#5 Keine oder kaum laufende Kosten

Als Privatinvestor habe ich praktisch keine laufenden Kosten. Ich habe schließlich keine Mitarbeiter, kein teures Bloomberg Terminal und mein Depot ist kostenlos.

Abgesehen davon, dass ich natürlich Transaktionskosten oder im Falle meiner ETFs auch Managementgebühren zahle, fließt jeder Euro, den ich verdiene, in meine eigene Tasche – nach Abzug von Steuern versteht sich.

Für institutionelle Investoren sieht das jedoch weniger effizient aus. Nicht nur, dass der Fondsmanager bezahlt werden muss, es muss auch die gesamte Struktur, Administration und was sonst noch dazu gehört getragen werden. So kommen jedes Jahr Kosten in Millionenhöhe zusammen, die erstmal verdient werden müssen.

Im Grunde ist das ein weiterer Anlagedruck, den ich als Privatinvestor nicht habe. In anderen Worten, ich muss nicht erst €1 Mrd. an verwaltetem Vermögen einsammeln und darauf 1-2% jedes Jahr verdienen, nur um meine laufenden Kosten zu decken.

#6 Keine Compliance Abteilung

Auch dieser Punkt ist nicht zu unterschätzen.

Als Privater bin ich zwar auch nicht zu 100% frei in meinen Entscheidungen, vor allem je nachdem welche Einschränkungen der Arbeitgeber vorgibt, aber grundsätzlich kann ich investieren in was ich will, wann ich will.

Wenn es Morgen Tabakhersteller, Bitcoins oder des Nachbarn neues Startup ist, kann ich frei investieren.

Institutionellen Investoren wird hier jedoch ein dicker Strich durch die Rechnung gemacht. Das ist auch gut so, aber manchmal wird die Messlatte so hoch angesetzt, dass selbst aktive und bekannte Investmentpartner zu einem Problem werden oder den Prozess um Wochen verzögern.

Als Privater brauche ich mir in anderen Worten keine Sorgen zu haben um die Freigabe durch die interne Compliance Abteilung.

Genauso wenig muss ich mich um die Presseabteilung kümmern, denn ich habe ja keine. Ich finde es zwar nicht gut, in Waffen- oder Tabakhersteller zu investieren, aber ich muss mich weniger darum sorgen, dass meine Investments Morgen in den Zeitungen stehen und ich mich als Versicherung oder Pensionskasse erklären muss.

#7 Kein Reporting

Zu guter Letzt, als Privater muss ich keine Berichte schreiben, keine Präsentationen halten, keine Bilanzen erstellen.

Je größer das Unternehmen, desto höher ist der gefühlte Aufwand für genau dieses Reporting, dass Quartal für Quartal, Jahr für Jahr aufgesetzt werden muss.

Ich erstelle mir natürlich meine eigenen Übersichten, die ich dafür nutze, um mein Vermögen auszuwerten, aber das reicht dann auch schon.

Als Privater habe ich einfach mehr Zeit mich um mein Vermögen zu kümmern, als dass ich jemand anderem Rede und Antwort stehen muss.

Fazit

Vor allem, weil ich den Unterschied mittlerweile sehr gut spüre, fand ich es wichtig, dass Du weißt, welche Vorteile wir als Privatinvestoren haben. Ich hatte es jedenfalls zu Beginn unterschätzt.

Ich merke, dass vor allem die Punkte flexible Strategie und Haltedauer mir langfristig mehr Gewinn bringen.

Dabei will ich natürlich nicht alles schön reden, denn Privatinvestoren haben natürlich auch Nachteile gegenüber den Großen:

  • Als 1-Mann/Frau Unternehmen kann man selten Arbeit an andere delegieren,
  • hat nur eingeschränkten Zugriff auf wertvolle Marktdaten und Informationen,
  • erhält nicht die selben Investmentmöglichkeiten (es sei denn Du hast gerade €200 Mio. auf dem Tagesgeldkonto) oder
  • man hat auch nicht immer die Zeit sich 40 Stunden in der Woche mit seinen Investments zu beschäftigen,

um Dir ein paar Beispiele zu nennen.

Aber auch dafür gibt es Lösungen und manchmal muss man es ja nicht komplizierter machen als wirklich nötig 😉

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Kommentare

2 Antworten zu „Aus Sicht eines Insiders: Weißt Du eigentlich, wie gut Du es als Privatinvestor hast?“

  1. Avatar von Hobbyinvestor

    Ich glaube es ist immer von Vorteil etwas aus Spaß zu machen gegenüber einer beruflichen Verpflichtung.
    Wenn ich mir vorstellen würde, ich müsste jede P2P Investition abstimmen und genehmigen lassen, hätte ich da auch keinen Bock mehr drauf.

    1. Avatar von Wolfgang
      Wolfgang

      Wohl wahr!

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